«Roboter erlauben es, logistische Prozesse völlig neu zu gestalten»
Er jongliert mit Algorithmen, Codes und Sensoren. Semir Redjepi, Head of Robotics bei LS52, hat sich dem technischen Fortschritt verschrieben. Mit dem Vertrieb des Transport-Roboters «Tug T3» an Schweizer Spitäler und Logistikzentren wird Produktivität gefördert und Personal geschont. Redjepis Vision? Eine Zukunft, in der Mensch und Maschine Hand in Hand arbeiten.
Semir Redjepi, du bist vom Praktikanten zum Head of Robotics aufgestiegen – und das in knapp sechs Jahren. War es immer dein Traum, im Feld der Roboter-Technologie zu arbeiten?
Nein, eigentlich gar nicht. Ich habe an der technischen Fakultät der Berner Fachhochschule Elektro- und Kommunikationstechnik studiert. Damals wollte ich mich eigentlich im Feld der Software-Entwicklung entwickeln. Zufällig stolperte ich dann über eine Praktikums-Ausschreibung der Post. Darin war die Rede von Projektmanagement für autonome Systeme. Das klang ziemlich fancy und ich warf meinen Vorsatz, nach dem Studium sicher kein Praktikum zu machen, schnell über Bord.
In welcher Hinsicht hat sich dein Arbeitsalltag in diesen sechs Jahren verändert?
Als ich als Praktikant bei der Post anfing, war ich vor allem in die technischen Aspekte der Robotik involviert. Ich kümmerte mich um den Betrieb und die Instandhaltung der Roboter. Ein paar Jahre später ist meine Rolle als Produktmanager vielfältiger. So stehe ich etwa im regelmässigen Austausch mit der amerikanischen Firma «Aethon», die unsere Roboter herstellt. Ich kümmere mich mittlerweile auch um den Vertrieb unserer Roboter, führe Kundengespräche, berate und treibe Marketingmassnahmen voran.
Vermisst du den technischen Aspekt in deinem momentanen Arbeitsalltag?
Jein. Ich meine klar, das technische Tüfteln macht Spass, ist herausfordernd und stillt einen gewissen Drang zum Knobeln und Rätseln. In meiner heutigen Arbeitstätigkeit fühle ich mich jedoch ebenfalls sehr zuhause. Ich schätze den Kundenkontakt und vor allem lerne ich viel Neues dazu. Ich bin zufrieden.
Ein Zusammenhang zwischen der Post und dem Vertrieb von Logistik-Robotern liegt nicht gerade auf der Hand. Wie kam es dazu?
Da muss ich etwas ausholen. Vor sieben Jahren hat sich die Post entschieden, in den Businesszweig der Intralogistik in Gesundheitseinrichtungen zu investieren. Dazu hat man sich verschiedene Konzepte und Technologien angeschaut – auch im Ausland. Dabei stiessen unsere Innovationsmanager und Innovationsmanagerinnen auf die Transport-Roboter. Da sich die Indoor-Roboter im amerikanischen Raum bereits über mehrere Jahre hinweg bewährt hatten, konnten wir sofort loslegen. Wir gründeten ein Team und suchten Kunden für eine Pilotphase.
Wer gehörte zu den ersten Kunden?
Wir starteten im Spital Nyon. Im Labor bestand folgendes Problem: Eine Labormitarbeiterin musste dreimal pro Stunde aufstehen, um eine Laborprobe abzuholen. Das kostete sie Zeit und Energie. Wir setzten also einen Medibot ein. Das ist ein kleiner Roboter mit Fächern, der die Laborprobe abholte und sie wieder zurückbrachte. In der Folge konnte die Labormitarbeiterin ihrer tatsächlichen Kernaufgabe nachgehen und ineffiziente Leerläufe wurden auf ein Minimum reduziert.
Und welches Fazit zog man nach der Pilotphase?
Ein positives. Zur Veranschaulichung: Im Spital Nyon starteten wir mit acht bis neun Transporten pro Tag. Heute sind wir bei 40-50 Transporten pro Tag. Da merkt man, dass der Roboter tatsächlich eine Unterstützung ist. Die Roboter erlauben es, logistische Prozesse völlig neu zu gestalten. Damit kann man viel Geld sparen. Und natürlich auch Mitarbeitende entlasten. Gerade in der Gesundheitsbranche hat die Forderung nach Entlastung aktuell hohe Priorität.
Jetzt müssen wir mal über den Roboter reden. Was kann Tug T3?
Dies kann ich am besten an einem Beispiel erläutern. Das Stadtspital Zürich Triemli stand im Zuge eines Ausbaus vor dem Problem, dass das Spital vergrössert worden war, die personellen Ressourcen jedoch dieselben blieben. Eine kosteneffiziente Lösung musste her. So stiess das Triemli auf uns. Heute setzen wir vier Roboter ein, die jeweils ab 19 Uhr losfahren und die ganze Nacht über den Neubau mit Material versorgen. Unsere Roboter transportieren Material – zum Beispiel medizinisches Verbrauchsmaterial, Wäsche, Esswaren oder Abfälle – von A nach B. Das Besondere am Tug T3 ist, dass er mit dem Personenverkehr umgehen kann. Er ist so konzipiert, dass er Personen und Hindernissen ausweichen kann. Gerade in einem Spital ist dies ein grosser Vorteil. Wenn an seinem Abstellplatz beispielsweise ein Reinigungswagen oder ein Krankenbett steht, bleibt der Roboter nicht einfach stehen, sondern sucht sich einen neuen Weg.
Das heisst der Tug T3 ist lernfähig?
Nein, so kann man das nicht sagen. In den Robotern ist keine KI integriert. Er liest mittels Sensoren lediglich die Räumlichkeiten ein und trifft dann anhand von seiner Programmierung eine Entscheidung. Aber in der Zukunft könnte KI durchaus ein Thema werden. Gerade in Anbetracht der Tourenplanungen der Roboter wäre die Implementierung von KI sehr spannend.
Wurdet ihr mit eurem Angebot überall mit offenen Armen begrüsst oder gibt es auch Vorbehalte gegenüber der Roboter-Technologie?
Die gibt es ganz klar. Viele denken beim Thema Roboter an Science-Fiction-Filme. Viele fühlen sich in ihrem Arbeitsplatz bedroht. Dann ist da noch der Datenschutz. Wobei sich dieser Vorbehalt schnell legt, wenn wir erklären, dass unsere Roboter von einer amerikanischen Firma stammen. Die Gesetzgebung ist in Sachen Datenschutz und Personenerkennung in den USA viel strenger als bei uns. Wir sammeln mit unseren Transportrobotern logischerweise keine Personendaten und wie wir anhand der Beispiele bereits gesehen haben, sollen unsere Roboter die Menschen nicht ersetzen, sondern ihnen die müssigen Arbeiten abnehmen, um so den Komfort und die Produktivität am Arbeitsplatz zu erhöhen.
Die Regulierung und die Normierung von autonomen Systemen hinken aktuell der technologischen Entwicklung hinterher. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind nicht abschliessend geregelt. Wie geht ihr mit dieser Unsicherheit um?
Wir sind in dieser Hinsicht ein Sonderfall. Da unsere autonomen Systeme nicht annähernd über ein Bewusstsein verfügen, macht es die rechtliche Situation unkomplizierter. Zudem bewegen sich unsere Roboter sehr langsam und nicht im öffentlichen Raum, sondern drinnen. Somit unterliegen sie auch nicht den maschinellen Richtlinien für autonome Fahrzeuge. Die Zukunft wird in diesen Belangen sicherlich noch viel Spannendes zu Tage fördern.
Was steht als nächstes auf der Agenda?
Bald startet die Pilotphase im Kantonsspital Winterthur. Ein Roboter wird dort Sterilgut zwischen der AEMP und dem OP transportieren. Zudem beginnt im Triemli die zweite Phase. Man möchte in einem zweiten Schritt mittels Transportroboter die gesamte Wäschelogistik optimieren.
Wo kommt Tug T3 an seine Grenzen?
Im Grunde gar nicht. Tug T3 hat Energie für 10 Stunden Arbeit und kann bis zu 754 kg pro Fahrt tragen. Manchmal wünschen sich Kunden jedoch bestimmte Funktionalitäten – wie beispielsweise Bettentransport oder Treppensteigen –, die unser Roboter nicht erbringen kann. Im Triemli wurde einem unserer Tug T3 Roboter eine besondere Aufgabe zugetragen: Als Znüni-Bot fährt er jeden Tag um 9 Uhr mit «Gipfeli» und Ingwershots beladen durch die Gänge und versorgt das Pflegepersonal mit einem Znüni-Snack. Man sieht – Tug T3 ist vielfältig einsetzbar.