Auslaendische Mehrwertsteuer

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E-Commerce Ausländische Mehrwertsteuer, Freigrenzen, OSS und IOSS – alles neu macht der Juli

Per 1. Juli 2021 ändert die EU die Mehrwertsteuerpflicht für aus dem Ausland eingeführte Waren. Die bisherige Freigrenze für Kleinwaren wird aufgehoben. Gleichzeitig werden die Abrechnungssysteme OSS und IOSS eingeführt. Fabian Baumberger erklärt die Einzelheiten.

Fabian Baumberger

Die Mehrwertsteuerpflicht in der EU wird angepasst – was heisst sie konkret für die Schweiz und den Schweizer Onlinehandel?

Grundsätzlich heisst das: Die bisherige Mehrwertsteuer-Freigrenze von 22 Euro für Sendungen aus einem Nicht-EU-Land in die EU wird aufgehoben; ab dem 1. Juli 2021 gilt die neue Mehrwertsteuerpflicht ab dem ersten Euro Warenwert bei einer Lieferung in ein EU-Land. Damit fällt nicht zuletzt der Wettbewerbsvorteil für Kleinsendungen aus der Schweiz in den EU-Raum weg. Das gilt für Sendungen sowohl auf dem Postweg wie auch per Spedition.

Wird diese neue Mehrwertsteuerregelung überall gleich gehandhabt?

Es gab schon bisher Länder, in denen sie galt. Jetzt wird sie ab 1. Juli 2021 harmonisiert, gilt also überall und für jedes Land der EU.

Zur vereinfachten Abrechnung der Mehrwertsteuer führt die EU neu auch das System OSS (One Stop Shop) ein – wie funktioniert das System?

Das zeigt am besten ein Beispiel: Angenommen, ein Händler in Deutschland hat bisher an Kundinnen und Kunden in Frankreich oder Finnland geliefert. Bisher hat er bei kleinen Umsätzen (die Umsatzschwellen liegen je nach Land zwischen 35 000 Euro und 100 000 Euro pro Jahr netto) diese Waren zum deutschen Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent verrechnen können. Sobald er diese Umsatzaschwelle überschritt – etwa in Frankreich 35 000 Euro jährlich –, musste der Händler sein Unternehmen auch in Frankreich bei der französischen Mehrwertsteuerbehörde registrieren lassen und den dort gültigen Mehrwertsteueratz von 20 Prozent verrechnen und an die französische Steuerbehörde abliefern. Dies musste man bisher für jedes EU-Land so handhaben, in dem man diese Mindestschwelle an Umsatz überschritt.

Jetzt wird alles einfacher?

Das bisherige System war dezentral und für alle Beteiligten sehr aufwändig. OSS macht alles leichter. Unser deutscher Beispiel-Händler registriert sich einmalig beim OSS und kann zentral sämtliche ausländischen Mehrwertsteuern an einem Ort erfassen. Anders gesagt: Der Händler muss sich nicht mehr in jedem Land einzeln registrieren, sondern in einem einzigen Onlineportal, im OSS.

Sämtliche eingenommenen ausländischen Mehrwertsteuern überweist er neu an das lokale Steueramt, dieses ist dann für die Verteilung der Mehrwertsteuer unter den EU-Ländern verantwortlich.

Für EU-Drittländer gibt es jetzt ein weiteres System, das IOSS (Import One Stop Shop). Wie funktioniert es für Schweizer Händler?

Schweizer Händler müssen sich in einem sogenannten MSI (Member of State Identification), also in einem EU-Land registrieren lassen. Dazu benötigen sie einen Vermittler mit Sitz in der EU, der für sie die Mehrwertsteuern in der EU abrechnet. Der Schweizer Onlinehändler überweist die ausländischen Mehrwertsteuern an den Vermittler, dieser wiederum an das lokale Steueramt, das wie beim OSS für die Verteilung an die Zielländer verantwortlich ist.

Wie kommt man an einen solchen Vermittler?

Viele Wirtschaftsdienstleister und Treuhandfirmen in der EU werden diesen Service in naher Zukunft anbieten – gegen entsprechende Gebühren.

Bisher konnten Schweizer Onlinehändler, die beispielsweise nach Deutschland geliefert haben, in Konstanz eine deutsche Mehrwertsteuernummer beantragen und die deutsche Mehrwertsteuer für Sendungen nach Deutschland dort versteuern. Entfällt diese Handhabung ab Juli?

Nein, das kann man so nicht sagen. IOSS ist ja kein Muss. Wenn ich also meine Waren vornehmlich nach Deutschland liefere, kann diese Regelung immer noch gelten, also im Falle von klaren einzelnen Zielländern. IOSS ist sinnvoll beim Handel in mehreren Ländern und einem Warenwert von unter 150 Euro pro Bestellung.

Alternativ gibt es die Möglichkeit, nach dem DAP-Prinzip (Delivery at Place) Waren in die ganze Welt zu versenden. Hierbei muss der Warenempfänger für Einfuhrgebühren, Zölle und Mehrwertsteuer aufkommen. Was sind die Vor- und Nachteile davon?

Der Vorteil dieses System ist: Es ist kostengünstig für den Versender, es gibt keine Wertbegrenzung, ist einfach und benötigt keine Registrierung. Der Nachteil: Im Check-Out des Onlineshops kann der Endpreis der Bestellung nicht inklusive der Mehrwertsteuer, allfälliger Zölle sowie Verzollungsgebühren ausgewiesen werden. Vor oder während der Zustellung werden diese Abgaben im Empfängerland der Endkundinnen und ‑kunden fällig. Das Kundenerlebnis ist also im DAP-Prinzip nicht sehr zufriedenstellend.

Die Post bietet in einem Pilotversuch als neue Alternative seit einem halben Jahr auch den Service CBF (Close Border Fulfilment) an. Da werden Waren ab einem Lager innerhalb der EU verschickt. Wie funktioniert das?

Wieder ein Beispiel: Ein Schweizer Händler exportiert seine Waren nach Frankreich und lässt sie in einem Lager im elsässischen Blotzheim zwischenlagern. Gehen in seinem Shop nun Bestellungen aus der EU ein, werden diese direkt in diesem Lager in der EU kommissioniert und von dort aus verschickt. Der Vorteil dieser Lösung: Damit kann auch der Schweizer Händler das OSS benutzen. Zwingende Voraussetzung für die Nutzung von CBF und OSS ist, dass die Ware zum Zeitpunkt des Verkaufs bereits in der EU lagert. Was der Händler berücksichtigen muss, sind natürlich Lagergebühren.

Wird sich die Versanddauer – also bis ein Artikel bei den Kundinnen und Kunden in der EU ankommt – mit CBF verändern?

Ja, eindeutig. EU-Versände werden schneller werden. Dazu kommt: Da die Ware bereits im EU-Raum ist, wie im Beispiel Blotzheim, entfällt die Verzollung, was die ganze Abwicklung schneller und einfacher macht.

Wie können interessierte Schweizer Onlinehändler vorgehen, wenn sie von der CBF-Lösung profitieren möchten?

Momentan ist die CBF Lösung noch im Pilotstadium. Sobald die Lösung auf Herz und Nieren getestet wurde und marktreif ist, werden potenzielle Kunden informiert oder können sich an ihre Verkaufsberaterin oder ihren Verkaufsberater bei der Post wenden.

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